1. Präsidentschaftswahl, erster Wahlgang
Nach dem Tod von Reichspräsident Friedrich Ebert im Februar 1925 hatte das deutsche Volk zum ersten Mal in seiner Geschichte die Gelegenheit, ein Staatsoberhaupt zu wählen. Die Parteien und Organisationen am rechten Ende des politischen Spektrums witterten die Chance, die Republik, die sich noch Reich nannte, in eine andere Richtung zu lenken und formierten sich zum "Reichsblock". Sie nominierten den Rechtsaußen Oberbürgermeister von Duisburg und früheren Reichsinnenminister Dr. Karl Jarres als Kandidat.
In Belzig veröffentlichte der Reichsblock einen Aufruf, der unterschrieben wurde von der DVP, der Deutschnationalen Volkspartei (Kreisverein Zauch-Belzig), der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung, der Wirtschaftspartei des deutschen Mittelstandes, dem Landbund Zauch-Belzig, dem Deutschen Schützen- und Wanderbund und dem „Stahlhelm“ (Bund der Frontsoldaten).
Die Deutschvölkischen gerieten allerdings in einen Konflikt und fühlten sich genötigt eine Erklärung abzugeben. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf Hitlers hatte nämlich den ehemaligen General Erich Ludendorff nominiert. Dazu schrieb die Belziger Ortsgruppe der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung:
"Durch diese Sonderkandidatur wird die Vaterländische Einheitskandidatur von Dr. Jarres aufs schwerste gefährdet...Die deutschvölkische Freiheitsbewegung ist sich darüber klar, daß zwischen ihrer völkische Auffassung und Dr. Jarres erhebliche Gegensätze bestehen. Sie erkennt aber, daß jede Zersplitterung der vaterländischen und völkischen Kreise beim ersten Wahlgang die Gefahr heraufbeschwört, daß im zweiten Wahlgang eine marxistische oder ultramontane Sammelkandidatur die größte Stimmenzahl erreicht und damit den Sieg erringt. Das muß gerade um des völkischen Gedankens willen verhindert werden. Darum muß jeder Völkische am 29. März seine Stimme abgeben für Obermeister Dr. Jarres aus Duisburg."
Die Kommunisten nominierten den ehemaligen Hamburger Hafenarbeiter Ernst Thälmann, der den kommunistischen Aufstand vom November 1923 gegen die Republik dort ausgelöst hatte. Am 14. März lud die KPD bei Fritz Thiele zu einer Versammlung zu dem Thema „Die K.P.D. und die Reichspräsidenten-Wahl“ ein. Um die Kandidatur Thälmanns zu unterstützen, reiste die Reichstagsabgeordnete Martha Ahrendsee durch den Kreis. Am 25. März sprach sie auf einer Wählerversammlung im Lokal Fritz Thiele zu dem Thema "Warum müssen wir den roten Kandidaten Thälmann wählen!"
Am 22. März sprach Alex Seling, Redakteur der Brandenburger Zeitung , im Lokale Frähsdorf in Wiesenburg zu der Kandidatur des Sozialdemokraten Otto Braun. Fünf Tage später war die sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Elfriede Ryneck bei Thiele in Belzig
Am 20. März veröffentlichte Braun, der die längste Zeit der Republik als preußischer Ministerpräsident diente, eine Erklärung, die am 28. März im Zauch-Belziger Kreisblatt erschien . Er versprach die Fortsetzung des Werkes Friedrich Eberts. Die Republik brauche, "den Schutz eines überzeugten Republikaners".
Er schloß mit den Worten: "Erkennt, deutsche Wählerinnen und Wähler, wie Ihr durch monarchistische und übernationistische Irreführung betrogen worden seid! Gegen sie rufe ich Euch zum Kampf, nicht für meine Person, sondern für die Zukunft unseres arbeitenden und leidenden Volkes, für die großen Ideen, denen Friedrich Ebert gehuldigt hat! Es lebe die Republik!"
Am 29. März wurde von 9 bis 18 Uhr gewählt.
Im ersten Wahlgang am 29. März 1925 erhielt Jarres 38,8% der Stimmen im Reich, Otto Braun 29,1%. Im Kreise Zauch-Belzig schnitten beide Kandidaten noch besser ab. Braun kam auf 32,3%, Jarres gar auf eine satte Mehrheit von 56,6%. Da aber im Reich kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichte, war ein zweiter Wahlgang notwendig, in dem eine relative Mehrheit reichen würde.
In der ersten Reichspräsidentenwahl der deutschen Geschichte hatte in dem ersten Wahlgang keiner Kandidat die absolute Mehrheit erreicht. Es mußte noch mal gewählt werden. Die sogenannten „Weimarer Parteien“ – die Parteien, die die Republik befürworteten - einigten sich als „Volksblock“ auf die gemeinsame Kandidatur von Wilhelm Marx, ehemaliger Kanzler von der Zentrumspartei, der im ersten Wahlgang nur 14,5% im Reich erhalten hatte. In Anzeigen bezeichneten sie Marx als den „gemeinsamen Kandidaten der Verfassungstreuen“.
Die Kommunisten stellten den chancenlosen Ernst Thälmann auch im zweiten Wahlgang auf.
Die Deutschnationalen fürchteten, daß Jarres keine ausreichende Mehrheit gewinnen könnte und ließen ihn fallen. Nun nominierte der „Reichsblock“ den Helden des Weltkrieges und überzeugten Monarchisten und Erfinder der „Dolchstoßlegende“ Feldmarschall Paul von Beneckendorff und von Hindenburg als Präsidenten der Republik. Trotz der Niederlage im Krieg war die Popularität des Feldmarschalls ungebrochen. Er war eine Art Hoffnungsträger für die, die der Vergangenheit nachtrauerten.
Am 22. April lud die Ortsgruppe des SPD-nahen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zu einer Veranstaltung in Fritz Thieles Lokal "Zur grünen Tanne" ein. Es sprach der Kamerad Franz Winand zugunsten der Kandidatur von Wilhelm Marx. Zwei Tage später im gleichen Lokal sprach die kommunistische Landtagsabgeordnete Hanna Ludewig zu dem Thema: "Warum muß die werktätige Bevölkerung Thälmann wählen!".
Am Vorabend des zweiten Wahlgangs lud der Reichsblock, ergänzt inzwischen vom Jungdeutschen Orden, in das Hotel Burg Eisenhardt.
Der Name des nationalen Helden Hindenburgs auf dem Wahlzettel sorgte dafür, daß die Wahlbeteiligung im Kreise 10% höher war als im ersten Wahlgang. Im 2. Wahlgang am 26. April gingen 4327 mehr Menschen im Kreis Zauch-Belzig zur Urne als im ersten Wahlgang und Hindenburg erhielt 4142 mehr Stimmen als Jarres im 1. Wahlgang. 60,2% der Wähler im Kreis Zauch-Belzig stimmten für den Feldmarschall. Hindenburg gewann in allen sechs Städten sowie in 118 der Landgemeinden. Im Reich erhielt er 48,5%.
Besonders in den Landgemeinden waren die Mehrheiten für Hindenburg oft erdrückend. Von den 118, in denen er gewann, gab ihm mehr als die Hälfte Mehrheiten von über 80%. 22 davon stimmten gar mit mehr als 95% für Hindenburg und die Wähler von Garrey, Jeserig bei Treuenbrietzen, Haseloff, Lühnsdorf, Lobbese, Pflügkuff, Niebelhorst und Zeuden stimmten zu 100% für den Feldmarschall.
Dennoch konnte Marx, der im 1. Wahlgang nur 1,4% der Stimmen im Kreis auf sich einigen konnte, im 2. Wahlgang mehr Stimmen erzielen als er und Braun im 1. Wahlgang zusammen erhalten hatten. Es zeigt, daß der nationale Held Hindenburg trotz alledem nur die konservativen Wähler, die sonst für Parteien stimmten, die die Republik nicht befürworteten, auf sich einigen konnte. Diese Gruppe bildete aber im Kreis Zauch-Belzig die Mehrheit.
Am Sonnabendabend, den 1. Oktober 1927 läuteten die Glocken der St. Marien Kirche in Belzig. Es galt dem anstehenden Erntedankfest, aber auch dem 80. Geburtstag des seit zwei Jahren amtierenden Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Im Hauptgottesdienst am Sonntag leistete Superintendent Bree für den Reichspräsidenten Fürbitte und lud die Gemeinde zu einem "Feldgottesdienst" am Nachmittag ein.
Um 16 Uhr versammelten sich unter der "Friedenseiche" von 1870/71 auf dem Schützenplatz die städtischen Körperschaften, die Schützengilde, der Kriegerverein Germania, der Krieger- und Landwehrverein, der Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten), der Schützen- und Wanderbund, der Landbund, die Santitätskolonne vom Roten Kreuz und der Jungdeutsche Orden zum "Feldgottesdienst" an.
Die Fahnenträger der Vereine nahmen um die Eiche Aufstellung und die Stadtkapelle spielte die beiden ersten Verse des "Niederländischen Dankgebets". Superintendent Bree eröffnete den dem Reichspräsidenten gewidmeten Gottesdienst mit den Worten aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 19 und 20. "Aber gehorche meiner Stimme; ich will dir raten, und Gott wird mit dir sein. Vertritt du das Volk vor Gott und bringe ihr Anliegen vor Gott und tu ihnen die Satzungen und Weisungen kund, daß du sie lehrest den Weg, auf dem sie wandeln, und die Werke, die sie tun sollen."
Das Erntedankfest galte Gott dem Herrn, sagte der Superintendent, aber in jenem Jahr auch, "dem ehrwürdigen Greis an der Spitze des Deutschen Reiches...Das deutsche Volk feiere um der Gnade Gottes willen, daß sie uns solchen Mann gegeben habe." Er zitierte auch Goethe: "Ein Jeglicher muß seinem Helden wählen, dem er die Wege zum Olymp sich nacharbeitet." Die Deutschen, so der Superintendent, hätten ihren Held gewählt, "nun möge ein Jeder in seinem Kreise und Berufe ihm nacharbeiten in gleicher Gottesfurcht und Pflichttreue."
Der "Feldgottesdienst" endete nach einer dreiviertel Stunde mit drei Strophen des "Niederländischen Dankgebets": "Wir loben dich oben, der Lenker der Schlachten."
Von 17 bis 18 Uhr gab die Stadtkapelle ein Konzert auf dem Marktplatz. Anschließend sammelten sich die Vereine erneut auf dem Schützenplatz zu einem Fackelzug durch die Stadt zu Ehren des Reichspräsidenten.
Die Feierlichkeiten fanden ihren Abschluß auf dem Marktplatz mit einer Rede des Bürgermeisters Schlimm, in der der Personenkult um Hindenburg seinen Gipfel fand. "Er", sagte der Bürgermeister, "der Generalfeldmarschall und Reichspräsident, ist die stärkste, reinste und machtvollste Persönlichkeit unserer Zeit, der Heros der Deutschen. Ihn wird die Geschichte noch künden, wenn unsere Zeit bereit ferne Mär geworden ist; seinen Namen wird man noch nennen, wenn alle Einzelheiten der großen Kriegs- und Nachkriegszeit bereits vergessen sind." Und weiter, "Aus der Not und Tiefe unserer Zeit reckt sich seine Persönlichkeit empor als Symbol und Wegweiser aus glücklicher Vergangenheit durch leidvolle Gegenwart in eine bessere Zukunft."
1932 endete die Amtszeit des Reichspräsidenten. Reichskanzler Brüning, dessen Regierung sich nicht auf eine Mehrheit im Parlament stützte, sondern auf die Notverordnungen des Präsidenten, versuchte den Reichstag für die Idee einer Verlängerung der Amtszeit Hindenburgs um zwei Jahre zu gewinnen. Die Nationalsozialisten, die seit 1930 die stärkste Fraktion stellten, lehnten den Plan ab. Daraufhin wurde der 84jährige Hindenburg dazu überredet, für eine zweite Amtszeit anzutreten.
Die Gegner der Republik hatten sich gegen ihren einstigen Helden gewandt, der ihrer Meinung nach zu wenig zur Beseitigung der Republik getan hätte. Die Nationalsozialisten bezeichneten die erneute Kandidatur von Hindenburgs als, "letzter Versuch, das unheilvolle Weimarer System zu retten..." In der Tat war es ein verzweifelter Versuch, die Republik zu retten, denn seine Kandidatur wurde von der SPD und der Zentrumspartei unterstützt, die 1925 gegen ihn gewesen waren, die jetzt aber keine Alternative sahen.
Hindenburg wollte wiedergewählt werden, aber mit den Stimmen der Rechten, die seine erneute Kandidatur ablehnten, nicht mit denen der Linken, die ihn jetzt unterstützten. Die SPD und das Zentrum hatten keine ernsthaften Versuche gemacht, einen wahrhaftig republikanischen Kandidaten aufzustellen.
Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und der Stahlhelm, die Hindenburg 1925 als Kandidat aufgestellt hatten, waren aber von ihm enttäuscht, weil er entgegen ihren Erwartungen seinen Amtseid ernst genommen hatte und die Republik gestützt hatte. Nun stellten sie einen Gegenkandidaten auf, den zweiten Bundesführer des Stahlhelms, Oberstleutnant a.D. Theodor Duesterberg.
Wie im Jahre 1925 nominierten die Kommunisten Ernst Thälmann.
Am 22. Februar wurde in einer Versammlung in Berlin Adolf Hitler zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei ausgerufen. Es gab jedoch ein Problem: Hitler war nicht deutscher Staatsbürger. Erst als man ihn zum Regierungsrat in Braunschweig ernannte wurde er deutscher Staatsbürger.
Am 2. März veranstaltete die Belziger Ortsgruppe der NSDAP zwei „Massenkundgebungen“ zur Unterstützung des Kandidaten Hitler. Unter dem Motto, „Schluß jetzt! Alles wählt Hitler!“ sprach der Landbundführer von Hannover Parteigenosse Weidenhöfer und Parteigenosse Behse aus Angermünde in den Sälen des Schützenhauses und des Hotels Burg Eisenhardt. 10 Pfennig kostete der Eintritt. Die NSDAP war die einzige Partei, die regelmäßig Eintritt für ihre Veranstaltungen verlangte, denn sie war die einzige Partei, die sich selber finanzieren mußte. Bis kurz vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler litt die Partei ständig unter Geldmangel.
Am Tag darauf lud die „Kampfleitung“ der sogenannten Eisernen Front ein. Im Lokal Fritz Thiele sprach die Landtagsabgeordnete Lisa Albrecht aus Berlin zu dem Thema: „Wir greifen an – wir stoßen vor!“ Die Sprache der deutschen Politik war martialischer geworden.
Die „Kampfleitung“ des zur Unterstützung Duesterburgs gebildeten Kampfblocks Schwarz-Weiß-Rot betrieb einen intensiven Wahlkampf gegen ihren alten Helden. Am Sonntagnachmittag, den 6. März, gab es eine Kundgebung im Hotel Burg Eisenhardt. Zur Präsidentenwahl sprach der Polizeioberst a.D. Müller aus Brandenburg. In einer Anzeige am 5. März im Kreisblatt hatte sich die Kampfleitung über die Taktik der Unterstützer Hindenburgs empört. „ Wir rufen alle Einwohner von Belzig zum Besuch unserer Veranstaltung auf! Landvolk von Belzig und Umgegend, beantworte das plumpe Wahlmanöver mit dem gestrigen ‚schwarz-weiß-rot‘ umrandeten Flugblatt der schwarz-roten Parteien um und für Hindenburg durch Massenbesuch.“ Die Befürworter der Republik sahen sich also gezwungen, die Farben der anti-republikanischen nationalen Opposition zu benutzen, um die Republik zu schützen.
Nur zwei Tage später lud die Kampfleitung des Kampfblockes Schwarz-Weiß-Rot nochmals ins Hotel Burg Eisenhardt ein. Der „Bundeskanzler des Stahlhelms“ Major a.D. Wagner sprach. Am 8. März gab es eine Kundgebung im Hotel Paul in Wiesenburg, am 9. beim Gastwirt Heinrich in Reetz, am 10. beim Gastwirt Schade in Reetzerhütten und am 11. beim Gastwirt Bäwert in Reppinichen.
Am 10. waren die Nationalsozialisten wieder dran mit Parteigenossen Schumacher aus „Gau Berlin“ sowie dem Schulungsleiter der Hitler-Jugend Hohoff. Am selben Tag erschien eine Anzeige in der Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung : „Zerbrecht die Ketten! Wählt Adolf Hitler!“.
Am 12. sprach im Hotel „Deutsches Haus“ in Niemegk Hauptritterschaftsdirektor von Winterfeld, Mitglied des Preußischen Landtages für Duesterberg.
In der Belzig-Reetz-Wiesenburger Zeitung (10. März) benutzten die Unterstützer des Reichspräsidenten einen alten Wahlspruch des ersten amerikanischen Präsidenten, um für ihren Kandidaten zu werben:
„Der Erste im Felde,
Der Erste im Frieden,
Der Erste im Herzen des deutschen Volkes. “
Und sie kamen zu dem Schluß: „ Der Vater des Vaterlandes ist und soll bleiben Hindenburg“.
Die Weimarer Parteien wußten, mit wem sie es zu tun hatten. Dr. Hugenberg warb für Duesterburg mit der Parole: „Stürzt das euch alle vernichtende System! Wählt am 13. März Duesterberg!" ( ZBK , 8. März 1932) Und in einer Rede in Nürnberg schloss Adolf Hitler „mit dem Mahnruf zu einer weiteren unermüdlichen Arbeit zur Beseitigung der bestehenden Verhältnisse am 13. März."
Am Tag vor der Wahl setzten die Unterstützer Hindenburgs wieder eine halbseitige Anzeige ins Zauch-Belziger Kreisblatt.
„Nationalsozialisten, Deutschnationale und Stahlhelm wenden sich gegen Hindenburg, weil er angeblich dem 'System' gedient habe. Der beste Kopf der Deutschnationalen, den sie auch heute noch immer als ihren richtungsgebenden Führer betrachten, Helfferich, erklärte: 'In der Not des Vaterlandes dienen wir dem Staat, so wie er ist!‘ Die Parole Helfferichs würde heute sein: 'Diene dem Vaterlande!‘ Kämpfe gegen Parteigeist und Zersplitterung! Wähle Hindenburg!“
Als die Wähler des Kreises Zauch-Belzig am 13. März 1932 zwischen 9 und 18 Uhr bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimmen abgaben, hatte Hindenburg die fast überwältigende Unterstützung, die er 1925 genossen hatte, eingebüßt. Im ersten Wahlgang am 13. März gewann er zwar alle Städte, aber nur 35 Landgemeinden. Der Kandidat der Deutschnationalen und des Stahlhelms Oberstleutnant a.D. Theodor Duesterberg gewann fünf Landgemeinden im Kreis. Dafür gewann Adolf Hitler 109 Landgemeinden, davon gleich 74 mit absoluter Mehrheit. Ernst Thälmann gewann mit 43,1% in Bliesendorf und mit 54,1%. in Michelsdorf
Im Reich verfehlte Hindenburg die nötige absolute Mehrheit um nur 0,4%. Im Kreise Zauch-Belzig dagegen erhielt er lediglich 31,5%. Hier war Adolf Hitler der Gewinner mit 42,1%. Auch Duesterberg schnitt im Kreis deutlich besser (11,2%) ab als im Reich (6,8%), Ernst Thälmann mit 7,8% deutlich schlechter (im Reich 13,2%).
Der Wahlkampf zum zweiten Wahlgang wurde im Kreis Zauch-Belzig mit erheblich weniger Intensität betrieben als der erste und ging zum Teil in den Wahlkampf zum Preußischen Landtag über, der nur 14 Tage später stattfinden sollte.
Der Höhepunkt des Wahlkampfes zum zweiten Wahlgang war die Kundgebung der NSDAP am 5. April in den Sälen des Schützenhauses und des Hotels Burg Eisenhardt. Für 50 Pfennige durften die Besucher den Parteigenosse Prinz August Wilhelm von Preußen sprechen hören. Der Hohenzollernprinz, seit 1927 Mitglied des Stahlhelms, war am 1. April 1930 der NSDAP beigetreten.
Die Gegenseite, der „überparteiliche Hindenburg-Ausschuß“ veranstaltete eine Kundgebung am 7. April im Hotel Burg Eisenhardt.
Im zweiten Wahlgang, am 10. April, wurde Reichspräsident von Hindenburg mit 53,1% wiedergewählt. Im Wahlkreis Potsdam I stimmten 44,5% für Hindenburg, 40,3% für Adolf Hitler und 15,2% für Ernst Thälmann. Im Kreis Zauch-Belzig konnte Hindenburg sich in fünf von sechs Städten und 26 Landgemeinden durchsetzen, erreichte aber nur 38,7% der Stimmen. Ernst Thälmann konnte noch Michelsdorf mit 46,8% gewinnen. Die Zustimmung für Adolf Hitler fiel noch klarer als im ersten Wahlgang aus. Er gewann die Stadt Brück und 119 Landgemeinden. In fast allen Ortschaften konnte Hitler Stimmen hinzugewinnen. Im 1. Wahlgang hatten 25 Landgemeinden Hitler 80% oder mehr ihrer Stimmen gegeben, acht davon gar mehr als 90%. Die Wähler von Göttin (Havel) hatten mit 100% für Hitler gestimmt. Im 2. Wahlgang gaben 42 der Landgemeinden Hitler 80% oder mehr. 29 davon gaben dem „Führer“ der NSDAP mehr als 90%. Die Wähler von Jeserig bei Treuenbrietzen stimmten zu 100% für Hitler. Im Kreis Zauch-Belzig erzielte Hitler eine absolute Mehrheit von 53,4%. Auf dem Lande im Kreis Zauch-Belzig betrug seine Mehrheit gar 57,2%.
In vielen Orten gewann der Reichspräsident im 2. Wahlgang zwar Stimmen hinzu, aber der Zuwachs an Stimmen für Hitler war wesentlich höher. Überall wechselten die meisten Duesterberg-Wähler zu Hitler. Ein Beispiel ist Wiesenburg. Im ersten Wahlgang erhielt Hindenburg 286 von 661 Stimmen (43,3%). Genau 200 Wiesenburger (30,3%) stimmten für Hitler, 152 (23,0%) für Duesterberg, und 23 (3,5%) für Ernst Thälmann. Im 2. Wahlgang gingen nur noch 635 Wiesenburger Wähler zur Urne. Hindenburg gewann 44 Stimmen hinzu und errang damit 52% der Stimmen. Hitler legte aber 95 Stimmen zu. Nur noch zehn Wiesenburger stimmten für Thälmann.
Im 1. Wahlgang gingen in Cammer 450 Wähler zur Urne. 179 (39,8%) gaben Hindenburg ihre Stimme, 167 (37,1%) stimmten für Hitler, 94 (28,9%) für Duesterberg und 10 (2,2%) für Thälmann. Im 2. Wahlgang gaben 470 Wähler in Cammer ihre Stimme ab. Thälmann erhielt nach wie vor 10 Stimmen (2,1%). Hindenburg ging zurück auf 171 Stimmen (36,4%), aber Adolf Hitler gewann 122 Stimmen hinzu und kam auf 289 für eine Mehrheit von 61,5%.
Am schlechtesten schnitt der „Führer“ der NSDAP in Bliesendorf mit 10,2% im 1. Wahlgang und 15,8% im 2. Wahlgang ab. Im 1. Wahlgang gaben 43,9% der Bliesendörfer Ernst Thälmann ihrer Stimmen, im 2. Wahlgang Hindenburg 43,1%. Im Michelsdorf gewann Ernst Thälmann den 1. Wahlgang mit 54,1% der Stimmen. Im 2. Wahlgang gewann Thälmann wieder, allerdings mit 46,8%. Er hatte bei einer erhöhten Wahlbeteiligung 33 Stimmen weniger. Hindenburg gewann 8 Stimmen hinzu, Hitler aber 52.
In den Landgemeinden war die Präsidentschaftswahl von 1932 praktisch ein Spiegelbild von der Wahl im Jahre 1925. Von den Gemeinden, die 1925 für Braun bzw. Marx gestimmt hatten, stimmten 1932 alle außer vier für Hindenburg. Von den 118 Landgemeinden, die 1925 für Hindenburg gestimmt hatten, waren nun alle außer fünf für Adolf Hitler. Alle Gemeinden, die 1925 Hindenburg große Mehrheiten von 75% und mehr gegeben hatten, stimmten 1932 für Hitler.